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Volontär Bericht, 25.Mai 2011, Pauline

Ich hatte den ersten Monat meines Praktikums in Strung Teng auf der Notfallstation gearbeitet. Den Zweiten wollte ich auf der Entbindungsstation verbringen. Ich hatte gehofft, bessere Erfahrungen sammeln zu können. Eine Geburt ist ja eher etwas Schönes.

Hier läuft sie jedoch etwas grob ab. Die schöne Atmosphäre, ruhige Räume oder gar Wassergeburten sind weit weg. Die Entbindungsliege aus Holz gleicht einem Folterstuhl, eigentlich ein Museumsstück. Die Klimaanlage ist auf 16 Grad eingestellt und die kühle Luft bläst genau auf die Patientin.

Die Tochter der einen Hebamme kommt während der Entbindung hinein. Die Station ist ihr Spielplatz. Sie ist drei Jahre und präsentiert stolz die hochhackigen Schuhe, die sie vorn im Eingangsbereich entdeckt hat. Sie tanzt und singt in der Mitte des Raumes. Manchmal ist auch die große Schwester dabei.

Da nicht klar ist, ob die Mutter HIV hat und sich der Virus über die Muttermilch übertragen kann, darf sie ihr Baby erst mal nicht stillen. Das Neugeborene bekommt Milch von einer anderen Mutter. Ein HIV Test ist in einem der Health Care Center kostenlos, jedoch sind das Health Care Center und das Krankenhaus nicht miteinander vernetzt, sodass eventuell vorliegende Informationen für das Krankenhauspersonal nicht verfügbar sind.

In dem Patientenzimmer oder besser Patientenaufenthaltssaal liegt die Frau, die gerade das dritte Mal hintereinander ihr Kind verloren hat neben einer glücklichen Mutter, die die ganze Familie zu Besuch hat.

Ein Bett weiter liegt eine Frau, die während der Schwangerschaft einen plötzlich auftretenden Krampfanfall bekommen hat (Eklampsie).Sie musste sofort entbinden, weil sonst der "Fruchttod" drohte. Das Baby wird in der 28. Woche geboren. Normal sind 40 Wochen, aber es ist vollständig entwickelt, aber sehr, sehr schwach. Es müsste intensiv überwacht werden.

Diese Möglichkeit gibt es hier nicht. Die Frau bleibt eine Woche im Krankenhaus und wird dann entlassen. Es ist erstaunlich, dass das Baby so gut durchhält, normaler Weise versterben sie schnell.

Es werden hier viele Abtreibungen vorgenommen. Angeblich erhalten sie danach Kontrazeptiva. Es gibt eine manuelle Absaugmethode oder eine Kürettage. Die Abtreibungen werden von den Hebammen vorgenommen. Es wird keine Anästhesie durchgeführt, es wird nur der Blutdruck kontrolliert.

In allen westlichen Ländern ist dieses Verfahren eine ärztlich durchgeführte Operation mit Anästhesie. Die Frauen erleiden starke Schmerzen, die von den Hebammen anscheinend nicht wahrgenommen werden.

Was ich hier schon sehr fortschrittlich finde ist, dass eine Verwandte  bei der Geburt an der Seite der Gebärenden sein darf. Manchmal ist die Mutter anwesend, manchmal eine Tante,  auf jeden Fall sind die Frauen nicht immer allein.

Wenn eine Frau entbunden hat, hat sie Angst, sich zu erkälten und zieht sich warm an. Sie trägt Mütze und Handschuhe. Die Neugeborenen werden auch eingehüllt und unter ein Moskitonetz gelegt. Am nächsten Tag werden die Neugeborenen das 1. Mal geimpft.

Wenn die Station überbelegt ist, hilft man sich damit, dass die Frauen und die Neugeborenen  auf Bastmatten gelegt werden bis wieder Betten frei sind.

Ich habe in Deutschland auch schon auf einer Entbindungsstation gearbeitet, aber hier ist es wieder eine ganz andere Arbeit, die ich hier leiste. Natürlich habe ich hier auch medizinische und pflegerische Aufgaben zu erledigen. Ich messe und überwache den Blutdruck der Patienten, versorge die Neugeborenen, assistiere den Hebammen und Ärzten.

Und trotzdem -  es ist immer wieder erschreckend, mit welchen medizinischen Problemen man hier konfrontiert wird.

Den Schwerpunkt meiner Arbeit habe ich  auf dieser Station in der Aufklärungsarbeit auf dem hygienischen Gebiet gesehen. Da gibt es noch so Vieles was man mit Aufmerksamkeit und einfachen Mitteln verbessern könnte. Und ich hoffe, dass sich mancher vom Personal an manche Dinge, die ich angeregt habe, auch nach meiner Abreise noch erinnert.

Das wäre schön!